Der Apostelbrief

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Neu anfangen!

Montag, 1. September 1997: der erste Tag am neuen Arbeitsplatz. Keiner der neuen Kollegen kennt mich, und so werde ich völlig unbefangen begrüßt und willkommen geheißen. Hier bin ich noch ein unbeschriebenes, noch nicht »abgestempeltes« Blatt.

Ganz neu anfangen zu können, ist eine wundervolle Sache. Wie oft würden wir gerne etwas ungeschehen machen oder eine Aussage zurücknehmen? Wieviele unserer Beziehungen zu Nachbarn, Kollegen oder sogar Freunden und Verwandten sind so »verkorkst«, daß wir sie am liebsten noch einmal ganz von vorne beginnen würden.

Neu anfangen muß man wollen. Aber man kann einen Neuanfang nicht erzwingen, denn unser Gegenüber muß damit einverstanden sein. Neu anfangen zu dürfen, ist ein Geschenk.

Neu anfangen ist auch das Grundthema der Botschaft Jesu Christi. Es steht nicht nur in den Evangelien, das ist das Evangelium: Neuanfang ist möglich! Unser Verhältnis zu Gott ist durch unser Fehlverhalten ihm und unseren Mitmenschen gegenüber beinahe hoffnungslos verfahren. Aber Gott bietet uns einen so radikalen Neuanfang in dieser Beziehung an, daß man ihn nur mit einer zweiten Geburt vergleichen kann (Joh. 3,5).

Dabei ignoriert Gott unser Fehlverhalten nicht. Unsere Schuld hat Konsequenzen! Aber wir müssen sie nicht selber tragen. Jesus - Gott selber - hat sie für uns an Karfreitag ans Kreuz getragen. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Vergebung und Vergessen. Unsere Schuld ist nicht vergessen, aber vergeben.

Doch wie bereits gesagt: zu jedem Neuanfang gehören zwei. Das Angebot Gottes nützt nichts, wenn wir es nicht in Anspruch nehmen. »Kyrie eleison - Herr erbarme dich«, so singen oder sprechen wir in jedem Gottesdienst. Wenn wir das wirklich ernst meinen, wenn wir uns eingestehen, daß wir einen Neuanfang mit Gott nötig haben, und daß dieser Neuanfang nur durch das Opfer Christi am Kreuz möglich ist, dann ist dieses einfache Gebet der Schlüssel dazu.

Und dieser Neuanfang hat Folgen - so der zweite Teil der Botschaft Jesu: so wie uns vergeben wurde, so sollen wir den an uns schuldig gewordenen Mitmenschen einen Neuanfang ermöglichen (Lk. 18,15-35). Aber auch hier gilt: vergeben, nicht vergessen. Auf uns selbst gestellt, würden wir hier meistens kläglich versagen. Vergeben zu können, ist Teil der Gnade, die wir in der Vergebung unserer eigenen Schuld erfahren.

In diesem Sinne: auf ein Neues!

-pv-