Der Apostelbrief

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Ethische Aspekte der Nanotechnologie

Mit dem Schlagwort »Nanotechnologie« wird eine Vielzahl von Anwendungen in wiederum einer Vielzahl von Bereichen unserer technisierten Lebensumwelt bezeichnet. Der Einsatz der Nanotechnologie soll zu völlig neuen Problemlösungen führen, die Produktion, Nutzung und Entsorgung von Produkten verbessern werden, wobei insbesondere hohe Erwartungen an die wirtschaftlichen Chancen und Potentiale im Vordergrund stehen. Demgegenüber sollten jedoch auch mögliche Risiken im Hinblick auf denkbare Gesundheits- und Umweltgefährdungen prognostiziert werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung definiert die Nanotechnologie als eine Querschnittstechnologie, die sich mit der Herstellung, Untersuchung und Anwendung von funktionalen Strukturen beschäftigt, deren Größe im Bereich unter 100 Nanometer liegen. Aufgrund dieser geringen Größe verändern sich deren Materialeigenschaften grundlegend, was auf die sehr große Oberfläche im Vergleich zu ihrem Volumen zurückgeführt wird.

Im Folgenden sollen in Auszügen aus einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten (AGU) in der Evangelischen Kirche in Deutschland in erster Linie ethische Kriterien für eine Beurteilung der Nanotechnologie unter Berücksichtigung von Gesundheits- und Umweltaspekten dargestellt werden. Aufgrund der äußerst vielfältigen Anwendungsbereiche dieser Technologie in der Chemie, Automobilbau, Elektronik, optische Industrie, Lebenswissenschaften und Umwelttechnik ergeben sich Risiken, die bis heute nicht vorhersagbar sind. So muss jede Anwendung auf ihre Auswirkung für Gesundheit und Umwelt geprüft werden, was nicht nur für die Produktion gilt, sondern für den gesamten Lebensweg bis hin zur Entsorgung des Produktes und der Prüfung der Frage, ob Nanostrukturen in die Umwelt geraten und wie sie sich verhalten. Ein hoher Risikofaktor ergibt sich z.B. aus der Tatsache, dass Nanopartikel sowohl lungengängig sind als auch direkt über die Nase in das Gehirn eindringen können. So ist derzeit nicht abschätzbar, welchen Gefahren Arbeitskräfte ausgesetzt werden, die mit Nanoteilchen arbeiten. Positive Effekte werden in der Medizin hinsichtlich deren Einsatzes für Diagnostik und Therapie und der Umweltwissenschaften zur Neutralisierung umweltschädlicher Gase und deren bakteriziden Wirkung erwartet.

Bei der ethischen Beurteilung der Nanotechnologie kann auf Erfahrungen aus anderen Bereichen zurückgegriffen werden. Unstrittig scheint es derzeit zu sein, dass diese Technologie aus ethischer Sicht nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Grundlage einer ethischen Betrachtung sollte zunächst der verantwortungsvolle Umgang mit der Nanotechnologie in seiner gesamten Breite sein. Die christliche Ethik geht grundsätzlich davon aus, dass der biblische Schöpfungs- und Kulturauftrag »Macht euch die Erde untertan« (Gen 1,28), »bebaut und bewahrt sie« (Gen 2,15) auch für die Bewertung der heutigen Eingriffsmöglichkeiten des Menschen gilt.

Die Natur ist also nicht unantastbar, sondern sie kann und soll vom Menschen gestaltet werden, da Gott den Menschen als freies und verantwortliches Wesen geschaffen hat. Der Mensch ist für sein Tun und Lassen verantwortlich vor Gott, vor den heutigen Menschen, seinen Mitgeschöpfen und vor den künftigen Generationen. Dies schließt den verantwortlichen Umgang mit der theologisch als Schöpfung verstandenen Natur einschließlich der Forschung und Wissenschaft und damit der Nanotechnologie ein. Aus christlicher Sicht ist z.B. die Zielsetzung für die Entwicklung neuer medizinischer Behandlungsverfahren mit Hilfe dieser Technologie zu befürworten. Das Gebot der Nächstenliebe zielt darauf, Menschen in Not zu helfen, da Krankheit und Leid exemplarische Situationen menschlicher Not sind.

Betrachtet man die ethischen Aspekte der Nanotechnologie, muss neben den zahlreichen positiven Auswirkungen der gesamte Lebensweg eines derartigen Produktes ausgehend von der Produktion über die Anwendung bis hin zur Entsorgung analysiert werden. Am Beispiel Asbest sah man zunächst die überaus positiven Materialeigeneigenschaften, während es Jahrzehnte dauerte, bis die negativen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus offenbar wurden.

Da also mit der Einführung neuer Werkstoffe deren Folgen auf Natur und Mensch schwer abzuschätzen sind, sollten alle denkbaren Auswirkungen sorgfältig erforscht und geprüft werden. Aufgrund der Abmessungen der Nanopartikel ist mit einer weltweiten Verbreitung über die Medien Luft und Wasser zu rechnen, was eine Rückholbarkeit unmöglich macht. Sind zusätzlich diese Partikel nicht abbaubar, könnten sie sich in der Natur mit gegebenenfalls unheilvollen Folgen anreichern. Hier sei nur das Beispiel der Fluorchlorkohlenwasserstoffe mit deren auch sehr spät erkannten abbauenden Wirkung von Ozon genannt. Bei der Risikobewertung der Nanotechnologie sollte dem Vorsorgeprinzip gefolgt werden, d.h. dass bei bestehenden Anzeichen für Gesundheits- oder Umweltgefahren der Einsatz von Nanopartikeln sorgfältig begrenzt oder sogar gänzlich vermieden werden sollte.

Ein weiterer ethischer Aspekt aus christlicher Sicht ist die Gerechtigkeit in einer zunehmend globalisierten Welt und hier z.B. die Versorgung mit genügend Trinkwasser, die durch den breiten Einsatz neuer nanotechnologischer Verfahren zur Entkeimung Millionen von Menschen eine bessere Überlebenschance bieten würde. Im Bereich der Nanomedizin ist zu fragen, ob die neuen Diagnose- und Therapieverfahren auch allen Patienten zugute kommen. Des weiteren ist in der Medizin darauf zu achten, dass Nutzen und Risiken einer Therapie mit Nanopartikeln im Vorfeld sorgfältig abgewogen werden und von Ethikkommissionen begleitet werden.

Insgesamt steht die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der EKD dieser Forschung und Innovation grundsätzlich positiv gegenüber, warnt allerdings vor einer allzu großen Euphorie angesichts der vielen offenen Fragen in Bezug auf die möglichen Risiken. Die neuesten Informationen zur Nanotechnologie können folgender Internetseite des BMBF entnommen werden: http://www.bmbf.de/de/nanotechnologie.php

-HS-

(Quelle: Ethische Aspekte der Nanotechnologie – eine Stellungnahme der AGU in der EKD, ISBN-10:3-939-115-06-1)