Der Apostelbrief

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Abgehängt…
Menschen, die aus der Bahn geraten sind, brauchen mehr als eine Reisehilfe!

Bahnhofsmission

Wo sie heute Nacht schlafen wird, weiß die junge Frau – weiter reichen ihre Pläne nicht. Bei einer Tasse Tee und einem Brot sitzt sie in der Würzburger Bahnhofmission und schaut scheinbar gedankenverloren aus dem Fenster. Wenn man sie nach ihrem Namen fragt, sagt sie: »Sagen Sie Jenny«. Ihren wirklichen Namen behält sie lieber für sich. Wenn Jenny spricht, klingen ihre Sätze fast philosophisch. »Du darfst nie aufgeben«, sagt sie und wiederholt die Worte. »Alles was passiert, soll auch passieren.« Jenny glaubt daran, hält sich daran fest, auch wenn sie gerade nicht weiß, wie es weitergehen soll. Am Vortag ist sie hier am Hauptbahnhof gestrandet. Ohne Obdach, ohne Geld, ohne Perspektive.

Menschen, die die Bahnhofsmission aufsuchen, kommen meist ohne Fahrkarte, aber mit schwerem Gepäck. Wer hier um Hilfe bittet, ist oft nicht nur am Ende seiner Möglichkeiten angekommen, sondern auch durch das soziale Netz gefallen. Bahnhofsmission
Viele der Hilfesuchenden sind ohne Arbeit, manche ohne Wohnung, sind suchtgefährdet oder krank, zehren von Arbeitslosengeld-II oder einer kleiner Rente. Viele Menschen leiden unter psychischen Belastungen, leben in konfliktgeladenen Beziehungsverhältnissen oder haben einen Migrationshintergrund, der ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschwert. Viele wollen nicht mehr über ihre Situation sprechen, geschweige denn, daran arbeiten. Sie möchten nicht mehr den beschwerlichen Weg der gedanklichen Konfrontation mit verletzenden Erfahrungen der Vergangenheit und der eigenen Unzulänglichkeit zurück gehen müssen. Und ihr möglicher Weg hinaus ins unbekannte Neue, der bekanntlich mit dem ersten Schritt beginnt, kennt kein Ziel, das ihnen erstrebenswert und gleichzeitig erreichbar scheint. Heißt das, dass viele unserer Besucher keine Ziele mehr haben? Vielleicht. Aber sie haben Wünsche, eine Menge Wünsche. Ein schuldenfreies Leben, eine Arbeitsstelle mit gutem Einkommen, Gesundheit, soziale Anerkennung, eine harmonische Beziehung, am liebsten mit Familie, in einer schönen Eigentumswohnung. Genau genommen Wünsche, Sehnsüchte, die wir mit unseren Besuchern teilen. Nur mit dem Unterschied, dass sie im Bemühen darum öfter gescheitert sind. Wünsche liegen eben oft auch außerhalb der persönlichen Reichweite. Im Unterschied zu Wünschen sind echte Ziele immer sehr konkret und – das ist entscheidend – sie liegen in der Hand des Betroffenen. Als Mitarbeiter der Bahnhofsmission haben wir in vielen Begegnungen gelernt, dass die Ziele unserer Besucher sehr unterschiedlich ausfallen können und ebenso die individuellen Erfolge. Es ist ein beachtenswerter Erfolg, wenn eine Person, die vor einigen Monaten ihre Arbeit verloren hat, nach intensiven Bemühungen in derselben Branche eine neue Erwerbsstelle findet.
Bahnhofsmission
Ebenso erfolgreich ist aber auch der Mensch, der seit Jahren auf der Straße erkennbar verwahrloste und jetzt, weiter auf der Straße lebend, sich selbst neu organisiert, Hilfestellen in Anspruch nimmt, ggf. nur noch kontrolliert trinkt, sein Äußeres und seine Gesundheit pflegt und sich dabei auch noch besser fühlt. Was (s)ein Ziel ist, kann tatsächlich nur jemand selbst für sich definieren. Was ein Erfolg ist, übrigens auch. Als Helfer und Berater können wir jemand bestenfalls darin bestärken. Zuhören, Dasein und eine ehrliche Begegnung mit Achtung und Wertschätzung sind das entscheidende Initial, damit in weiterführenden Gesprächen neue realistische Perspektiven entstehen können. Dass die Bahnhofsmission 24 Stunden täglich erreichbar ist an einem Ort, an dem nicht nur vielfältige Verkehrslinien, sondern auch viele Lebenslinien zusammenlaufen, macht sie zu einem besonderen Angebot niederschwelliger professioneller Sozialarbeit. Räumlich und fachlich bestens vernetzt, war die Einrichtung der Christophorus-Gesellschaft von Caritas und Diakonie im vergangenen Jahr für ihre Besucher über 39.000 Mal nächste Anlaufstelle. Für manche die Endstation und doch Neuanfang eines Weges im Sinne der eigenen Ressourcen und Möglichkeiten.

Lindner-Jung

Bahnhofsmission

Spendenkonto der Bahnhofsmission:
LIGA-Bank Würzburg
BIC: GENODEF1M05
IBAN: DE82 7509 0300 0103 0018 81
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