Der Apostelbrief

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Zwei Monate Flucht


Flucht

„Salam – Hallo! Mein Name ist Sherali, alle nennen mich aber Ali (links im Bild). Ich bin 18 Jahre alt und komme aus Jalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar in Afghanistan. Dort leben 85.000 Einwohner, darunter auch meine Familie mit zwei Schwestern und zwei Brüdern.

Überall herrscht Krieg. Ich kenne nichts anderes als zerstörte Häuser, kaputte Städte und immer ist da die Angst. Meine Mutter sagte häufig zu mir: „Gehe nicht in die Schule, es ist zu gefährlich.“ Fast täglich werden Menschen erschossen, auch mein Lehrer gehörte dazu. Mein Vater schickte mich als ältesten Sohn von zu Hause fort. Ich sollte vor den Taliban fliehen, möglichst in ein sicheres Land. Auch meine Familie flieht immer wieder, wechselt häufig die Wohnung oder zieht aus der Stadt.

Für meine Flucht hat mir mein Vater ein Handy und umgerechnet 200 Euro mitgegeben. Aber an der Grenze zum Iran hat man mir mein Telefon weggenommen. Sonst hatte ich nur meine Kleidung am Leib. Ich bin tagelang gelaufen, mal alleine, mal mit anderen in kleinen Gruppen. Als ich endlich in Istanbul angekommen bin, habe ich erstmal fünf Tage geschlafen, so erschöpft war ich. Dann ging es weiter durch Bulgarien, dort wurden wir 23 Tage in einem Camp festgehalten und durften nicht weiter. Das Wetter wurde auch immer schlechter, es regnete fast ununterbrochen. Nachts suchten wir Schutz unter Bäumen und drängten uns zusammen, um uns vor der Kälte zu schützen. Durch Serbien und Österreich kam ich schließlich nach zwei Monaten in Deutschland an. Meine Schuhe waren kaputt, ich hatte viele Blasen an meinen Füßen... aber ich war zum ersten Mal in Sicherheit. Ich blieb fünf Tage in der Erstaufnahmestelle in München. Dort wurden meine Fingerabdrücke genommen und mir neue Papiere ausgehändigt. Über mehrere Stationen bin ich dann nach Reichenberg gekommen. Ganze drei Monate war ich dort zusammen mit vielen anderen untergebracht. Hier lernte ich auch Helmut und Monika kennen, die jeden Tag kamen, um mir Deutsch beizubringen. Von meinem ersten Geld – ich bekomme 145 Euro im Monat – habe ich mir ein Handy gekauft und zu Hause angerufen. Jetzt habe ich einmal im Monat Kontakt mit meiner Familie und bin hier ganz auf mich alleine gestellt. Gerbrunn ist nun schon meine fünfte Station in Deutschland und auch hier habe ich so viele hilfsbereite Menschen getroffen.

Ich bin sehr glücklich hier zu sein und hoffe, bald in die Schule gehen zu können. Noch habe ich keine Erlaubnis dazu. Ich möchte weiter Deutsch lernen und gerne eine Ausbildung machen“.

Aufgezeichnet von Nadja Ballhaus

Ali ist nach fünf Wochen Aufenthalt in Gerbrunn in eine dezentrale Unterkunft nach Geroldshausen gezogen.
Inzwischen besucht er sogar die Don-Bosco-Schule. Wir wünschen ihm alles Gute für seinen weiteren Lebensweg!