Der Apostelbrief

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Einige Gedanken zur Theologie Luthers, Teil 1

Luther

Mit Luther beginnt die Neuzeit, sagen viele. Sie beziehen sich auf seine Berufung auf das eigene Gewissen, dem er sich mehr verpflichtet wusste, als der Tradition, die auf dem Reichstag zu Worms in Gestalt des Kaisers und des päpstlichen Gesandten Cajetan massiv auftrat. Auch war für ihn klar, dass jeder Einzelne für sich vor Gott steht, er sich nicht hinter einer Kirchenzugehörigkeit verstecken kann. Auf seinen Glauben, auf den Glauben jedes Einzelnen kommt es an. Das war sicher in dieser Konsequenz neu für das mittelalterliche Denken. Das Individuum tritt selbstverantwortlich heraus aus der Masse, stellt sich selbstbewusst gegen die unhinterfragte Einheit von Reich, Staat und Kirche.

Aber es wäre verfehlt, Luther emanzipatorische Motive unterstellen zu wollen. Er war kein Aufklärer im Dienste der Vernunft, sondern im Dienste der Theologie. Die Quelle seiner Inspiration war nicht die Erklärung der Menschenrechte, sondern die Heilige Schrift, die ihm wirklich heilig war. Nachdem das kirchliche Lehramt nachweislich in Widerspruch zu den biblischen Schriften geraten war - unübersehbar in der theologischen Rechtfertigung des Ablasshandels - blieb nur sie selbst als verlässliche Grundlage für den Glauben. Aus ihr gewann er seine reformatorischen Erkenntnisse, sie war der Grund, der ihm Sicherheit gab bei den turbulenten Auseinandersetzungen zwischen Exkommunikation und Reichsacht.

In der Vorrede zur Wittenberger Ausgabe seiner Schriften formuliert er: „Denn so gut werden es weder Konzilien und Väter noch wir machen, wenn’s aufs Höchste und Beste geraten kann, wie es die Hl. Schrift, das ist, wie es Gott selbst gemacht hat. Da wir doch auch Hl. Geist, Glauben, göttliche Rede und göttliches Werk haben müssen, wenn wir selig werden sollen, müssen wir die Propheten und Apostel lassen auf dem Lehrpult sitzen und wir hienieden zu ihren Füßen hören, was sie sagen und nicht etwa wir sagen, was sie hören müssen“.

So verwundert es nicht, dass diese Konzentration auf die Bibel zu einer der Säulen seine Theologie werden sollte: „sola scriptura“, allein die Schrift darf göttliche Autorität für sich beanspruchen, allein in ihr treffen wir auf das Wort Gottes, das uns den Spiegel vorhält und das uns als Evangelium frei und gerecht sprechen kann. Sie ist das eigentliche Heilsmittel, alles andere leitet sich von ihr ab oder kann als Menschenwerk infrage gestellt werden.

Jeder Mensch sollte die Chance haben, von Gottes Wort getroffen zu werden. Jeder sollte sich ein Bild machen können über die Grundlagen unseres Glaubens. Insofern war die Exklusivität des Zugangs zu dieser Schrift, die auf einen kleinen erwählten Kreis von gebildeten Kirchenleuten beschränkt war, eine Anfechtung für ihn. Und die Triebfeder, sich der unglaublichen Mühe zu unterziehen, diese Schriften aus dem griechischen bzw. hebräischen Urtext zu übersetzen. Es ging ihm hierbei nicht um Bildung für die Massen, sondern um das Heil des Einzelnen.

In der Hl. Schrift spricht - wie wir schon gesehen haben - seiner Sicht nach Gott selbst. Darum kann er sie gegen alles stellen, was der Mensch sich selbst sagen kann. Auch gegen die kirchliche Lehre. Er ist noch weit von den Entdeckungen der neuzeitlichen wissenschaftlichen Bibelauslegung entfernt, die zutage gefördert hat, dass die Bibel selbst schon Niederschlag einer langen Glaubens- und Erfahrungsgeschichte mit Gott darstellt und in Umfang und Inhalt Ergebnis lehramtlicher Entscheidungen der alten Kirche ist. Und doch ging er keineswegs fundamentalistisch mit der Schrift um. Er gewichtete die Bücher der Bibel sehr unterschiedlich, war sogar im Zweifel, ob er alle mit in seinen deutschen Kanon übernehmen sollte. Insbesondere der Jakobusbrief ärgerte ihn, war er doch eine ganz „stroherne Epistel“, die durch ihre Betonung der guten Werke eher einer Werkgerechtigkeit das Wort zu reden schien, als dem befreienden Evangelium von der Gnade Gottes in Christus.

Und er fand eine Formel, die zu einem differenzierten Umgang mit der Schrift helfen kann. Wichtig und zentral ist für ihn alles, „was Christum treibet“, also das, was dem Glauben an Christus hilfreich ist. Das können sehr wohl auch Texte aus den Propheten und den Psalmen des Alten Testaments sein, insofern sie den Geist Christi atmen und die Gnade Gottes rühmen. Andererseits können auch neutestamentliche Texte das Evangelium für den Glaubenden eher verdunkeln, wie der schon erwähnte Jakobusbrief, der Hebräerbrief oder die Offenbarung des Johannes. Wiederum können aber auch solche Texte zuzeiten sprechend werden. Dies ist wohl der Grund dafür, dass er sie nicht außen vor ließ, sondern nur weiter an das Ende seiner Bibelausgabe stellte.

Dass sich alles, was Glaubensautorität für sich beansprucht an der Schrift messen muss und dass die Inhalte der Schrift wiederum an ihrem Zentrum, Jesus Christus gemessen werden müssen, gehört bis heute zum unveräußerlichen Erbe aller evangelischen Christen.

-JR-

Dies ist der erte Teil zu einer kleinen Serie zu Luthers Theologie.

Wer sich multimedial aufbereitet mit der Reformation beschäftigen möchte, dem sei folgender Link empfohlen:
http://www.presse.uni-wuerzburg.de/einblick/single/artikel/e-learning-kurs-zur-reformation/