Der Apostelbrief

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Geduld !

Die Geduld hat in unserer modernen Gesellschaft nicht eben Konjunktur. Alles muß schnell gehen und schnell zum Erfolg führen. Fernsehsender wie MTV rechnen damit, daß sich ihre jugendlichen Zuschauer nicht länger als fünf Minuten am Stück konzentrieren können und richten sich in der Programmgestaltung danach. Und große Firmen achten darauf, daß sich ihre Investitionen spätestens zum nächsten Quartal »rechnen«, um den Kurs ihrer Aktien hoch zu halten. Shareholder value heißt das dann.

Aber auch unter Christen ist der Erfolgsdruck enorm. Wenn sich die neue Gemeindegruppe nach dem dritten Mal noch nicht so richtig etabliert hat, wird sie einfach wieder aufgegeben. Wenn ich meinen Nachbarn schon zweimal vergeblich in den Gottesdienst eingeladen habe, dann ist bei dem doch Hopfen und Malz verloren. Oder nach zwei Wochen vergeblichem Gebet um eine Sache ist für uns klar, daß Gott offenbar gerade auf Urlaub ist.

Aus der Bibel lernen wir eine ganz andere Sicht der Dinge: Gottes Mühlen mahlen langsam ..., sagen wir gerne, und lassen den zweiten Teil des Sprichwortes meistens weg: ... aber sie mahlen gründlich. Nach dem, was wir aus der Bibel erfahren, hat Gott einen weit größeren Horizont als wir Menschen, auch was Zeit angeht.

Schon Abraham, der Stammvater des Volkes Israel, wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt, als Gott ihm Nachkommen verheißt (1. Mose 12,2), dann aber 25 Jahre ins Land gehen läßt, bevor der ersehnte Sohn Isaak geboren wird (1. Mose 21). Selbst wenn man die großzügigen Zeitskalen der Patriarchen auf heutige Verhältnisse überträgt, wird klar, daß im Leben mit Gott ein Jahr keine besonders lange Zeit ist.

»Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen« (Klagelieder 3,26) bedeutet nicht, sich mit fromm-demütigem Augenaufschlag von »cleveren« oder »viven« Zeitgenossen die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Es heißt zu wissen, daß wir nichts verpassen, wenn wir uns auch im Widerspruch gegen den Zeitgeist darauf verlassen, daß Gott weiß, was uns gut tut. Dann gilt uns auch die Verheißung, daß »denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluß berufen sind.« (Römer 8, 28).

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