Der Apostelbrief

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Alles relativ - absolut

Es ist jedes Jahr das gleiche Lied: Allen guten Vorsätzen zum Trotz trifft uns Weihnachten am 24. Dezember immer wieder völlig überraschend.

Es ist ja nicht so, dass Weihnachten geheim gehalten würde: spätestens seit Ende der Sommerferien füllen sich die Regale mit Lebkuchen und anderen weihnachtlichen Umsatzträgern. Trotzdem sitzen viele Menschen am Heiligen Abend unter dem Weihnachtsbaum und haben das Gefühl, eigentlich noch gar nicht angekommen zu sein.

Die Adventszeit, die uns eigentlich auf dieses unglaubliche Ereignis vorbereiten soll, dass Gott selbst Mensch wird, war früher eine Buß- und Fastenzeit (deshalb auch die violetten Paramente an Altar und Kanzel).

Im Oberbayrischen heißt die Adventszeit auch »stille Zeit«. Für die Bauern früherer Jahrhunderte war es ja auch die Zeit, in der sie etwas kürzer treten konnten, nach den Mühen der Ernte und der Vorbereitung der Felder auf das nächste Frühjahr.

Das ist für uns heute oft ganz anders: Adventszeit heißt auch Jahresabschluss. In vielen Firmen geht das Geschäftsjahr zu Ende und es muss noch auf den letzten Drücker das Quartalsergebnis verbessert werden. Versicherungen und Bausparverträge müssen noch ganz schnell abgeschlossen werden, damit sie noch in der diesjährigen Steuererklärung auftauchen können. Bis zum Abend des 23. Dezember sind viele von uns voll gefordert.

Und am nächsten Morgen soll dann plötzlich Weihnachten sein?

Kein Sportler würde sich in einen Wettkampf einlassen, ohne sich vorzubereiten. Der Körper braucht einfach eine gewisse Zeit um »warmzulaufen«. Genauso ist es an Weihnachten: wir brauchen eine Zeit der Vorbereitung, um zu realisieren, worum es an Weihnachten wirklich geht, die Adventszeit eben. Aber wie erkläre ich das meinem Chef?

An dem Trubel, der mit dem Jahresende verbunden ist, können wir kaum etwas ändern. Aber vielleicht gelingt es, der Hektik des Alltags kurze Zeitspannen abzuringen - und wenn es nur eine Viertelstunde täglich ist.

Rituale können helfen, der Vorfreude und Einstimmung auf Weihnachten Raum zu schaffen. Kerzen, Plätzchen, Lieder und Texte zum Lesen oder Vorlesen, können so einen festen Rahmen in unserer Adventszeit finden. Wichtiger als Inhalt und Dauer sind dabei Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit. Lieber jeden Tag zehn Minuten als einmal in der Woche eine Stunde.

Dann sind wir wirklich bereit, am Heiligen Abend zu singen: »Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen. Hört, hört, wie mit vollen Chören alle Luft laute ruft: Christus ist geboren!«

-pv-