Der Apostelbrief

Oktober - November 2005
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Öffnung des Abendmahls für Kinder

Der Hintergrund : Die Landessynode der Evangelischen Kirche in Bayern hat sich im Jahr 2000 dafür ausgesprochen, die Feier des Abendmahls für Kinder zu öffnen. Gleichzeitig hat sie allen Gemeinden empfohlen, sich mit diesem Thema zu befassen und zu beschließen, wie in Zukunft in der eigenen Gemeinde mit diesem Thema umgegangen werden soll.

Inzwischen gibt es zahlreiche Gemeinden auch im Dekanat Würzburg, die sich bereits für ein Abendmahl mit Kindern ausgesprochen haben (und dies auch erfolgreich praktizieren).

Der Kirchenvorstand der Apostelkirche hat sich deshalb im Laufe des letzten Jahres intensiv mit diesem Thema befasst. Vielleicht erinnern sich einige noch an die Gemeindeversammlung im Oktober 2004 mit Pfarrer Schlüter. Die Informationen, die wir an diesem Abend erhielten, dienten uns als Einstieg und als Grundlage für die weitere Diskussion. In der Folgezeit wurden viele Gespräche zu diesem Thema geführt, im Juli 2005 war das »Kinderabendmahl« schließlich Thema unseres KV- Einkehrtages. Als Referentin hatten wir für diesen Tag unsere frühere Diakonin Frau Martina Fritze gewinnen können, die über die (erfolgreiche) Einführung des Kinderabendmahls in der Gemeinde St.Stephan in Würzburg berichtete.

Sie werden vielleicht fragen, was mit »Kinderabendmahl« eigentlich gemeint ist. Nach unserem Verständnis handelt es sich um die gleichberechtigte Zulassung von Kindern und noch nicht konfirmierten Jugendlichen zum Abendmahl, sofern diese das Sakrament der Taufe erhalten haben und sofern sie selbst, ihre Angehörigen oder Begleitpersonen eine Teilnahme am Abendmahl wünschen. Im Kirchenvorstand bestand Einigkeit darüber, dass sich die Öffnung des Abendmahls für Kinder nicht nur auf einzelne (z.B. Familien-) gottesdienste beschränken soll.

Diese neue Form des Kinderabendmahls ist sicherlich eine wesentliche Neuerung in einer Jahrhunderte alten evangelischen Tradition. Wahrscheinlich werden einige von Ihnen Bedenken haben:

  • Wird die Konfirmation damit nicht entwertet?
  • Sind Kinder überhaupt in der Lage das »Geheimnis« des Abendmahls zu verstehen?
  • Wer bereitet die Kinder auf das erste Abendmahl vor?
  • Bedeutet es nicht eine Wertminderung des (ersten) Abendmahls, wenn es »jeder« bekommen kann
  • Wird die Ruhe und Andacht während des Abendmahls durch die Kinder gestört?
  • Ist das Konfirmationsalter nicht gerade eine sehr günstige, »sensible« Lebensphase, um an das erste Abendmahl herangeführt zu werden?

Alle diese Fragen haben wir uns im KV auch gestellt. Auf der Suche nach Antworten haben wir dabei entdeckt, dass die Zulassung von Kindern zum Abendmahl sehr viel positive Aspekte bietet und viele Chancen in sich birgt.

  • Es gibt keine streng theologische Begründung für ein erstes Abendmahl erst an der Konfirmation
  • Der Zusammenhang zwischen den beiden Sakramenten »Taufe« und »Abendmahl« tritt wieder stärker hervor
  • Die eigentliche Bedeutung der Konfirmation tritt mehr in den Vordergrund, nämlich: Konfirmation als Segenshandlung, als selbstständiges Bekenntnis zum christlichen Glauben und als Aufnahme in die Gemeinde als mündiges Gemeindeglied
  • Das Abendmahl an der Konfirmation war oft das erste und (auf lange Zeit) das letzte Ma(h)l. Vielleicht ändert sich das, wenn ein Mensch schon während seiner Kindheit in die Abendmahlsspiritualität hineinwächst.
  • Abendmahl muss man nicht unbedingt »verstehen«. Ein Kind kann es auch intuitiv erfassen und erleben. Religiöse Erfahrungen und Erlebnisse gerade in der Kindheit sind oft prägend für ein ganzes Leben.
  • Die Eltern bekommen wieder eine größere Verantwortung in der religiösen Erziehung, die ganze Familie sollte sich mehr als bisher mit dem Thema »Abendmahl« auseinandersetzen.
  • Es ist ins Ermessen der Eltern gestellt, in welchem Alter ihre Kinder erstmals am Abendmahl teilnehmen.

Es war aber ein entscheidender Aspekt, der für uns immer wieder in den Mittelpunkt rückte, nämlich die Frage: »Was gibt es für einen Grund, einem getauften Christen – unabhängig vom Alter – das Sakrament des Abendmahls vorzuenthalten?«

Nach ausführlicher Diskussion all dieser Gesichtspunkte hat sich der Kirchenvorstand der Apostelkirche schließlich mit großer Mehrheit für die Zulassung von Kindern zum Abendmahl ab dem Zeitpunkt der Taufe ausgesprochen (beginnend mit der Osternacht 2006).

Wie geht es nun weiter?

Es besteht im KV Einigkeit darüber, dass es in verstärktem Maße nun auch in die Verantwortung der Gemeindeleitung gestellt ist, Kinder unserer Gemeinde an das Thema »(Erstes) Abendmahl« heranzuführen. Bis zur Osternacht 2006 wird es deshalb mehrere Angebote geben, die es Kindern - aber auch Erwachsenen - ermöglichen sollen, sich mit dem Thema »Kinderabendmahl« auseinander zu setzen.

So werden sich zwei Gottesdienste mit ihren Predigten dem Thema Abendmahl widmen (16.10. und 20.11.05), vor allem soll dann aber ein Gemeindekirchenvormittag in das Abendmahl mit Kindern hineinführen (26.03.06). Daneben könnte auch in Kindergarten und Kindergottesdienst das Thema auf elementarer Ebene aufgegriffen werden.

Der Kirchenvorstand ist sich bewusst, dass die Zulassung von Kindern zum Abendmahl für viele Gemeindemitglieder eine starke Veränderung bedeutet. Wir sehen in dieser Neuerung jedoch einen wichtigen Schritt im Sinne der Weiterentwicklung unserer Kirche. Wir hoffen, dass sich – mit Gottes Hilfe – die oben geschilderten Chancen umsetzen lassen, und dass die Anzahl der Bedenken aufgrund der hoffentlich zahlreichen positiven Auswirkungen im Laufe der Jahre immer kleiner wird.

Lassen Sie uns gemeinsam dieses Wagnis angehen!

M. Strohm