Der Apostelbrief

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Bonjour Tristesse

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Wenn die Sonne im Herbst beginnt, sich rar zu machen, wird auch unsere Stimmung herbstlich. Unsere Gedanken wenden sich in dieser Zeit den grauen, düsteren Themen zu. Nicht umsonst beschäftigen sich die Sonntage in diesem Teil des Kirchenjahres mit den Themen Tod und Ewigkeit. Der Volkstrauertag und der Ewigkeitssonntag passen in diese Zeit.

Wenn im Frühjahr die Knospen an den Bäumen aufspringen, wenn die Landschaft um uns herum unter strahlend blauem Himmel grün wird, ist die Frage nach unserem eigenen Tod für die meisten von uns weit weg. Aber an nebligen Novembertagen holt uns der Gedanke an unsere eigene Endlichkeit schon eher ein.

Und an dieser Frage entscheidet sich, was unser Glaube wert ist. Wenn wir Christ sein vor allem als kulturelle Identität begreifen, als Unterwerfung unter ein Moral- und Wertesystem, muss uns der Gedanke an den Tod kalte Schauer über den Rücken jagen. Oder wie Paulus schreibt: »Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.« (1. Kor. 15,19)

Der Glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, wie er im Glaubensbekenntnis formuliert wird, ist deshalb der zentrale Punkt des Christentums. Uns ein ewiges Leben in Gottes Gegenwart zu ermöglichen ist ja überhaupt der Grund dafür, dass Jesus als Mensch geboren wurde und schließlich auf Golgatha starb.

Aber wie kann man überhaupt an Auferstehung und Ewiges Leben glauben?

Es ist wohl wie beim Schwimmen. Das lernt man nur dadurch, dass man es ausprobiert. Zuerst in unmittelbarer Nähe des Ufers oder eines anderen Menschen. Später wächst das Vertrauen und man kann sich weiter hinaus ins offene Wasser wagen.

Christlicher Glaube entwickelt sich genauso: Er wächst mit den Erfahrungen, die wir mit Gott machen. Not lehre Beten, sagt man, aber wahrscheinlich ist es einfacher, das Beten zu lernen, wenn man nicht gerade in einer tiefen Krise steckt.

Die Frage, ob Gott existiert und wenn ja, ob er so ist, wie die Bibel ihn beschreibt, ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Frage, ob meine Frau mich liebt. Das kann ich nur in der Praxis herausfinden, indem ich eine lebendige Beziehung zu ihr pflege.

Gott liebt jeden von uns. Das herauszufinden erfordert eine funktionierende Beziehung zwischen ihm und mir, in diesem Fall zum Beispiel durch Gebet, Bibellese und Gemeinschaft mit anderen Christen.

Der Tod und vor allem das Sterben verlieren dadurch vielleicht nicht allen Schrecken, aber man hat dann eher das Gefühl, dass auch das eigene Ende in guten Händen liegt.

-pv-