Der Apostelbrief

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Ich glaube

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Wenn Kinder schreiben lernen und anfangen, die ersten Briefe an Verwandte oder Freunde zu schreiben, trichtert man ihnen ein, dass es höchst ungezogen ist, einen Brief mit »Ich« zu beginnen. Es gehört sich einfach nicht, sich selbst so in den Mittelpunkt zu stellen.

Einer der wichtigsten Texte, den wir Christen haben, verletzt genau diese Anstandsregel: unser Glaubensbekenntnis. Ohne Umschweife und Verzierungen kommt der Text sofort zur Sache. »Ich glaube ...« heißt es da als allererstes.

Um mich ganz persönlich geht es in diesem Bekenntnis. Ob meine Eltern, meine Kinder oder mein Banknachbar im Gottesdienst an den dreieinigen Gott glauben, ist völlig unerheblich. Es geht im Glaubensbekenntnis für jeden, der es bewusst spricht, nur um ihn oder sie ganz persönlich. Nicht umsonst werden Eltern und Paten in der Taufliturgie aufgefordert zu beten, dass der Täufling zu eigenem Glauben findet und sich seiner Taufe freuen kann.

Aber, was heißt das: ich glaube? Der Volksmund sagt »glauben heißt nicht wissen« und meint damit oft genug »glauben heißt Nichtwissen.«

In der Bibel heißt »glauben« nicht, unbeweisbare Aussagen für wahr zu halten. Vielmehr ist damit gemeint, sich auf das oder besser gesagt den einzulassen und zu verlassen, dem man glaubt, nämlich Gott selbst. Glaube ist nach Carl Friedrich von Weizsäcker nicht so sehr ein Akt des Verstandes, sondern eine Art zu leben. Das hebräische Wort aman, das im Alten Testament für »Glaube« steht, bedeutet eigentlich »sich an etwas festmachen.«

Abraham, der im zarten Alter von 75 Jahren alles stehen und liegen ließ und sich mit Sack und Pack in ein Land aufmachte, das Gott ihm versprochen hatte, wird in der Bibel als »Vater des Glaubens« bezeichnet. Dieser Ehrentitel soll sicher nicht heißen, dass Abraham besonders leichtgläubig war und alles für bare Münze genommen hat, was man ihm erzählt hat. Sondern, dass sich Abraham auf Gott verlassen hat und sein Schicksal in Gottes Hände gelegt hat.

Jeder Schwimmlehrer sagt seinen Schülern, dass das Wasser sie tragen wird. Aber die Schüler müssen es glauben, das heißt sich darauf verlassen, dass das wirklich so ist, um es ausprobieren und feststellen zu können, ob der Lehrer recht hatte.

Glauben hat zunächst etwas mit einem Wagnis zu tun. Ob das, was in der Bibel steht, wahr und damit wert ist, geglaubt zu werden, kann man nur herausfinden, indem man selbst so lebt, als ob es stimmt. Jesus selbst hat gesagt: »Wer Gottes Willen tut, wird erfahren ob meine Lehre von Gott ist« (Joh. 7,17). Und wie gesagt: diese Aufgabe lässt sich nicht delegieren.

-pv-