Der Apostelbrief

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Gesucht und gefunden:
eine Leih-Oma zum Verlieben!

Ludewig

Mein kleiner Justus strahlt übers ganze Gesicht: die Leih-Oma und der Leih-Opa stehen vor der Tür. Wie jeden Donnerstag­vormittag sind sie gekommen, um ihn zum Spielen abzuholen. Justus liebt seine geliehenen Großeltern. Und auch sie sind ganz vernarrt in ihren süßen Schatz.

Das Ganze begann mit unserem Umzug nach Gerbrunn. Die räumliche Entfernung zu unseren eigenen Eltern und Geschwistern hat sich aus beruflichen Gründen bedauerlicherweise vergrößert, so dass der Kontakt meist nur noch übers Telefon und Internet besteht.

Was uns daher sehr fehlte, war eine richtig präsente Oma.

Durch Zufall fiel mir eine Broschüre der Diakonie in die Hände, die die Vermittlung sozialer Dienste anbot. Nach meinem Anruf meldete sich bereits einige Tage später unsere Leih-Oma bei mir. Da sich ihr sehnlicher Wunsch nach eigenen Enkelkindern noch nicht erfüllt hat, waren auch sie und ihr Mann auf der Suche nach dem passenden Gegenstück für eine fröhliche Großeltern-Enkel-Beziehung. Sie besuchten uns bald und wir freundeten uns schnell an.

Mittlerweile sind die beiden für uns gar nicht mehr wegzudenken. Ein- bis zweimal wöchentlich darf der einjährige Justus sich auf ihrem geräumigen Dachboden austoben und hat dabei zwei eifrige Mit-Turner. Denn dass so ein kleines Kind jung hält, haben unsere Leih-Großeltern schnell gemerkt. Justus ist ein goldiger Wirbelwind, der mit seinem Bewegungsdrang und Lachen alle ansteckt.

Beim ersten »Justus-Ausleihen« war ich allerdings furchtbar nervös. Die Leih -Oma und der Leih-Opa haben ihn mitsamt dem Kinderwagen und einer dickgepackten Tasche (mit Keksen, Fläschchen, Lätzchen, Bilderbuch und einem Haufen Reserveschnullern) abgeholt, um mit ihm spazieren zu gehen. Anstatt mich über die plötzliche Freiheit zu freuen, saß ich aufgeregt am Küchentisch und blickte alle paar Minuten suchend aus dem Fenster. Das wird wohl jeder Mama so gehen, die zum ersten Mal von ihrem Baby getrennt ist. Als sie dann nach einer Stunde an der Haustür klingelten war ich heilfroh, meinen Schatz in die Arme schließen zu können. Und als ich merkte, dass ihm das Zusammensein mit den beiden ausgezeichnet bekam, wurde ich mutiger. Inzwischen ist er im Durchschnitt drei bis vier Stunden bei ihnen und kommt jedes Mal gutgelaunt und müdegespielt nach Hause.

Leih-Oma

An Wochenenden unternehmen wir hin und wieder auch mal alle zusammen etwas. Mama, Papa, Leih-Oma, Leih-Opa und Justus. So lernen wir uns immer besser kennen und haben Spaß an gemeinsamen Ausflügen.

Justus ist glücklich mit seinen Leih-Großeltern. Er hat außer mir und seinem Papa zwei weitere, liebevolle Bezugspersonen, die ihn gern haben, die ihn fördern und immer erreichbar nah sind. Es gibt da plötzlich zwei zusätzliche Menschen in seinem Leben, die ihm von Woche zu Woche wichtiger werden. Der Unterschied zu einer bezahlten Tagesmutter oder einer Kinderkrippe ist deutlich: die Leih-Großeltern betreuen Justus, weil sie ihn liebgewonnen haben und es ihnen Spaß macht.

Sie machen es ehrenamtlich und sind mit ganzem Herzen dabei. Die Aktivitäten mit Justus steigern ihre Lebensfreude, Flexibilität und Kreativität. Sie sind glücklich, einer jungen Mutter in ihrem Erziehungsalltag eine Hilfe zu sein, ihr Entlastung und Beratung zu geben. Sie vermissen Justus im Urlaub und freuen sich immer schon aufs nächste Treffen.

So haben alle gewonnen. Und nicht zuletzt genieße auch ich als Mutter die Vorzüge dieser Beziehung. Der Alltag mit einem Kleinkind fordert viel Energie von mir. Und diese muss natürlich immer wieder nachgetankt werden. Das geschieht am besten durch Zeiten, in denen ich einfach mal frei habe. In dieser freien Zeit kann ich entspannen, schlafen oder aber auch dringende Termine oder Liegengebliebenes erledigen. Durch unsere Leih-Großeltern habe ich einige Vormittage, die ich guten Gewissens ganz nach Laune gestalten kann, da ich mein Kind in guten Händen weiß. Außerdem habe ich nach und nach in den Leih-Großeltern eine beratende Freundin und einen väterlichen Freund gefunden.

Maria Ludewig mit Justus