Der Apostelbrief

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Voll unfair

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Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt. 20, 1-16) erzählt Jesus von einem Menschen, der früh am Morgen Tagelöhner für seinen Weinberg einstellt. Er vereinbart mit den Männern einen ordentlichen Tageslohn und die gehen an die Arbeit. Im Laufe des Tages stellt der Mann immer mehr Tagelöhner ein, die letzten eine Stunde vor Feierabend. Allen verspricht er einen fairen Lohn. Am Ende des Tages lässt der Mann die Tagelöhner bezahlen. Zuerst die, die nur eine Stunde gearbeitet haben. Sie bekommen den vollen Tageslohn, den der Mann am Morgen mit den ersten Arbeitern vereinbart hat. Die fangen jetzt wahrscheinlich schon an, hochzurechnen, was sie dann wohl bekommen würden. Umso größer die Enttäuschung, als sie genau den vereinbarten Lohn bekommen.

»Voll unfair« schreien sie. Die anderen haben nur eine Stunde im Weinberg gearbeitet und sollen jetzt dasselbe bekommen, wie sie, die zwölf Stunden, inklusive sengender Mittagshitze, gearbeitet haben? Aber der Chef bleibt stur. Er habe seinen Vertrag exakt erfüllt und er könne mit seinem Geld schließlich machen, was er wolle.

Fairness ist für die meisten Menschen wichtig. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, ist schon für Kinder kaum zu ertragen. Später wird es nicht anders. Bis in die Politik hinein ist Gerechtigkeit, sei es nun Verteilungsgerechtigkeit oder Chancengerechtigkeit ein wichtiges Thema in jedem besseren Wahlkampf.

Seltsamerweise ist es für manche Menschen auch schwer, in positiver Weise ungerecht behandelt zu werden, indem man etwas bekommt, für das man keinen Gegenwert geliefert hat. "I zahl' mei Sach, no muass i net Dankschee sage", sagen nicht wenige Schwaben – Franken auch, aber halt auf fränkisch.

An Karfreitag und Ostern geht es voll unfair zu. Gott opfert seinen Sohn, um die Menschen mit sich zu versöhnen. Wer das für sich akzeptiert und ernst nimmt, bekommt diese Versöhnung geschenkt – einfach so, ohne Gegenleistung. Dabei ist es egal, ob man ein frommer Pharisäer wie Paulus ist, der jahrzehntelang versucht hat, sich den Himmel zu verdienen oder ein Schwerverbrecher, der sich unmittelbar vor seinem Tod Jesus anvertraut (Lk 23,42).

Gnade ist unfair. Sie hat eben nichts damit zu tun, was einer geleistet oder ausgefressen hat. Gnade kann man nicht verdienen. Man kann sie nur dankbar in Anspruch nehmen und sich freuen, dass man sich die Versöhnung mit Gott eben nicht verdienen muss. Denn das hat, nach allem, was wir wissen, die letzten paar tausend Jahre nicht funktioniert.

-pv-