Der Apostelbrief

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Entlarvt

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Das Wachs der Weihnachtskerzen war noch nicht kalt, als die Narren der schwäbisch-alemannischen Fasnet ihre Kostüme aus dem Schrank holten. Am 6. Januar wird vielerorts im deutschen Südwesten nicht nur das Erscheinungsfest gefeiert, sondern auch das »Häsabstauben«. Bis zum Aschermittwoch sind die »Hästräger« nun unterwegs auf Umzügen landauf landab. Dabei tragen sie immer ihre »Larven«, meist hölzerne Masken, die eine Erkennung des Trägers unmöglich machen.

Verkleiden und Maskieren faszinieren viele Menschen von Kindesbeinen an. Die einen wollen in eine Rolle schlüpfen, die sie im normalen Leben nie erreichen würden und spielen Prinzessin oder Cowboy. Andere nutzen die Anonymität der Maske, um Dinge zu tun, die sie sich normalerweise nie trauen würden – am Aschermittwoch ist schließlich alles vorbei.

Viele Menschen nutzen Masken, um sich vor ihren Mitmenschen zu schützen – nicht nur im Fasching. Und nicht immer kann man die Masken als solche erkennen. Ein betont fröhliches oder forsches Auftreten kann auch eine Maske sein, mit der sich besonders verletzliche Menschen vor einer für sie bedrohlich wirkenden Welt schützen wollen. Je schlechter die Wirtschaft läuft, desto wichtiger ist das souveräne Auftreten dem Chef oder dem Kunden gegenüber. Zweifel oder Schwäche sind nur etwas für die anderen. Nichts ist dann schlimmer als wenn einem diese Maske oder »Larve« vom Gesicht gerissen wird, man also im wahrsten Sinn des Wortes »entlarvt« wird.

Wohl jede und jeder von uns wünscht sich Lebensbereiche, in denen wir unsere Masken absetzen können, und in denen wir einfach wir selbst sein können. Wir wünschen uns Partnerschaften und Familien, in denen wir nicht ständig die Erwartungen anderer bedienen müssen, sondern uns auch mal gehen lassen können. Manchmal klappt das sogar.

Juden und Christen haben in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder die wohltuende Erfahrung gemacht, dass wir uns vor Gott, der uns geschaffen hat und der jeden einzelnen von uns liebt, weder maskieren müssen noch können. In Psalm 139 heißt es: »Herr, du erforschest mich und kennest mich ... Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir ... deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war.«

Auch nach Aschermittwoch.

-pv-