Der Apostelbrief

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Formen der Frömmigkeit: Kirchenmusik

Interview mit unserem Organisten Martin Gál

Lieber Herr Gál, wie wichtig ist für Sie die Musik für die eigene Frömmigkeit?

Die Musik hat für mich eine große Bedeutung. Sie kann Dingen, Gedankenprozessen und mentalen Zuständen eine Tiefe geben, die man ja sonst nicht kennt. Es hat mich schon immer fasziniert, was man mit Musik alles ausdrücken kann. Im Vergleich dazu ist eine Sprache, die auf dem Wort basiert, sehr »farbenarm«. Die Musik »spricht« über Sachen, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Mit dem Glauben ist es ähnlich. Mit Worten alleine ist er nicht erklärbar.

Organist

Wie hat es Sie nach Gerbrunn verschlagen?

Als ich noch an der Musikhochschule war, hat mir meine damalige Kommilitonin Alice Duskova die Stelle angeboten. Da ich vorher sowieso als Organist in der katholischen und evangelischen Kirche tätig war, habe ich gleich zugesagt. Ich war gerade auf der Suche nach einer weiteren Stelle, wo ich regelmäßig Gottesdienste spielen könnte, also kam es wie gerufen.

Wie sind Sie zum Orgelspielen gekommen?

Das ist eine lange Geschichte. Ich habe noch einen Bruder und eine Schwester – wir sind Drillinge. Wir haben alle drei sehr früh mit dem Musizieren angefangen. Ich mit dem Klavier. Als ich dann mit zwölf Jahren als Abschluss an der Musikschule ein Konzert von Bach mit Orchester gespielt habe, musste man sich entscheiden, wie es weiter gehen soll. Und da habe ich mich für die Aufnahmeprüfungen am Konservatorium für die Orgel und Kirchenmusik entschieden.

Ist die Apostelkirche Ihre erste Stelle als Organist?

Wie ich schon erwähnt habe, habe ich schon lange vorher regelmäßig Gottesdienste gespielt. Erst in der Slowakei, und dann in Deutschland. Später kamen die Evangelischen Gottesdienste dazu. In Würzburg habe ich schon vorher in der Augustinerkirche regelmäßig und in vielen anderen Kirchen als Aushilfsorganist gespielt. Da es sich hier um eine nebenamtliche Organistenstelle, und keine »richtige« Stelle handelt, kann man ja nicht über größere Unterschiede reden.

Sie haben Kirchenmusik studiert. Warum?

Eine große Rolle hat am Anfang mein Klavierunterricht, meine Lehrer, mein Vater und meine Bekannten gespielt. Ganz vereinfacht gesagt, ist aus einer mehr oder weniger unbewussten Entscheidung eine bewusste geworden. Aus einem Studiengang ist eine Berufung geworden. Ich bin froh, dass es sich alles so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat. Viele Sachen im Leben kann man ja erst später richtig nachvollziehen. Ich bin Nachhinein sehr dankbar, dass ich gerade Kirchenmusik studiert habe.

Welche sind für Sie die wichtigsten Werke der Kirchenmusik?

Die Musik würde ich nicht so kategorisieren. Für mich gibt es keine weniger oder mehr wichtigen Werke. Nur die, die mir etwas bedeuten, bei denen ich mich angesprochen fühle. Wo ich auf gewisse Gedanken komme. Und das hängt von vielen Sachen ab. Auch von der Lebensphase, in der man sich befindet. Ich fühle mich von so vielen Werken angesprochen. Zu entscheiden, ob eine Reger Motette wichtiger ist als ein Bach Choral kann und will ich nicht.

Ist die Orgel noch ein zeitgemäßes Instrument?

Das hängt davon ab für wen. Für mich schon. Für viele junge Menschen heutzutage sehr wahrscheinlich nicht mehr. Die Orgel ist generell nicht »in«. Das hängt aber mit der Rolle der klassischen Musik in der Gesellschaft zusammen. Die ist nämlich auch nicht »in«. Und das wiederum hängt mit der Ausbildung zusammen, mit der Erziehung und der Familie. Vereinfacht ausgedrückt: Die Familie als Grundstein in der Entwicklung eines Individuums scheint heute nicht mehr richtig zu funktionieren. Manche junge Menschen scheinen vieles, was zur Allgemeinbildung gehört nicht zu kennen. Und was man nicht kennt, kann man nicht lieben.

Wie sehen Sie die Konkurrenz zu Klavier und Gitarre, die der Pfarrer ja gerne anstimmt?

Ich sehe es nicht als Konkurrenz. Wir ergänzen uns. Er ist sozusagen für die »modernen« Sachen zuständig, ich für die »klassischen«. So zumindest im Idealfall. Bei manchen Anlässen würde ich aber lieber differenzieren und einen Gottesdienst nur in einem Stil gestalten. Kontrast ist ein wichtiger Parameter, aber wir sollten ab und zu nicht die Homogenität und Atmosphäre eines Gottesdienstes vergessen.

-JB-

Zur Person

Gal

Martin Gál wurde 1978 in Bratislava (Slowakei) geboren. 1993-1999 studierte er Kirchenmusik am Staatlichen Konservatorium in Bratislava. Danach wurde er an der Hochschule für Musik Bratislava (1999-2004) von Prof. Ján Vladimír Michalko (Orgel), Ondrej Saray (Chorleitung) und Prof. Juraj Benes (Musiktheorie) unterrichtet. Im Rahmen des Sokrates/Erasmus Austauschprogramm studierte er 2003 an der Hochschule für Musik Trossingen. Nach dem Erwerb des Magisterdiploms in Bratislava 2004 schloss sich ein Doktorandenstudium an. Parallel dazu kehrte er zurück nach Trossingen und setzte sein Studium als Stipendiat der Landesstiftung Baden-Württemberg fort. 2005 kam Martin Gál an die Hochschule für Musik Würzburg. Innerhalb von drei Jahren absolvierte er das Konzertdiplom, das Doktorandenstudium und das Kirchenmusiker-A-Diplom.

Momentan wirkt Martin Gál als selbständiger Künstler in Würzburg und Umgebung. Als Organist und Chorleiter ist er in mehreren Kirchen Würzburgs tätig, leitet den Projektchor Cantemus Sommerach, und die Männerchöre MGV Eintracht Zellingen und MGV Liederkranz Himmelstadt. Als Lehrkraft des Bischöflichen Ordinariats Würzburg unterrichtet er Orgel im Rahmen der Kirchenmusik-C-Ausbildung.