Der Apostelbrief

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Sub clausula

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Unser Leben ist bestimmt von Plänen. In der Schule gibt es Stundenpläne, Firmen haben Quartalspläne, erfolgreiche Geschäftsleute haben Jahrespläne, 5-Jahrespläne und einen Lebensplan.

Aber manchmal ist es nur eine Frage von Sekunden, dass alle diese schönen Pläne nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Eine Treppenstufe, die man im Halbdunkel nicht rechtzeitig sieht, ein Auto, das auf der Autobahn direkt vor einem die Spur wechselt, oder ein Ast, den der Sturm von einem Baum abbricht, können unser Leben von Grund auf ändern oder von jetzt auf gleich beenden.

Als Jugendlicher bin ich einem Gemeindepfarrer begegnet, der alle Planungen, vom Sommerfest bis zur Konfirmation des kommenden Jahres mit der Einschränkung bekannt gab »so Gott will und wir leben«. Für einen Sechzehnjährigen war das ziemlich seltsam und etwas unheimlich und der Verdacht lag nahe, dass es sich hier um eine Marotte handelte, eine gedankenlose Floskel. Aber dieser Pfarrer meinte, was er sagte.

In Jahrzehnten des Pfarrdienstes hatte er erfahren, wie schnell unsere Planungen von Unfällen oder Krankheiten durchkreuzt werden können. Er meinte, was er sagte. Wenn Theologen unter sich sind, sagen sie dasselbe in vornehmem Latein: »Sub clausula jacobaea« oder kurz »Sub clausula werden wir ...«. In jedem Fall bezieht sich dieser jakobäische Vorbehalt auf Verse aus dem Jakobusbrief: »Und nun ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen –, und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.« (Jakobus 4, 13-15).

Dieser Vers ist keine Anleitung zum Fatalismus. Im Gegenteil fordert Jakobus zum Planen und zur Initiative auf. Für ihn ist es aber ein Gebot der Klugheit, nicht zu vergessen, dass unsere Existenz in dieser Welt endlich und gefährdet ist.

Für Jakobus ist es aber auch wichtig, dass diese Überlegung etwas mit Gott zu tun hat, der auch die frömmsten Christen nicht vor Krankheit, Unfällen oder Tod bewahrt. Aber egal, was uns oder die Menschen, die uns nahe sind, erwartet: Gott will uns in allen Lebenslagen nahe sein und uns durch Krankheit und Schmerz, durch Tod und Trauer hindurch tragen.

-pv-