Der Apostelbrief

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Zeitsparer

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Ein Mensch betrat eines Morgens die lokale Filiale der Zeitsparkasse, um sich beraten zu lassen:

Kunde: »Ich habe überhaupt keine Zeit mehr für nichts und möchte daher etwas Zeit sparen.«

Berater: »Eine gute Idee. Wir haben da verschiedene Angebote. Wollen Sie eher konservativ oder eher chancenorientiert investieren?«

Kunde: »Chancen... was?«

Berater: »Chancenorientiert. Das heißt, Sie sparen jetzt richtig viel Zeit, die Sie dann im Ruhestand so richtig genießen können.«

Kunde: »Und wie geht das?«

Berater: »Nehmen wir mal an, Sie schlafen acht Stunden pro Tag. Wenn Sie das auf 6,5 Stunden reduzieren, sparen Sie pro Jahr fast 23 Tage. Oder wenn Sie, statt mit Ihren Kollegen eine Stunde in die Kantine zu gehen, Butterbrote mitnehmen und am Arbeitsplatz essen, haben Sie in dreißig Jahren, wenn Sie pensioniert werden, glatt eineinviertel Jahre gespart – pure Lebenszeit.«

Kunde: »Und was ist, wenn ich krank werde, oder schon vor dem Pensionsalter sterbe?«

Berater: »Das ist dann natürlich Pech. Aber wo Chancen sind, sind auch Risiken«.

Kunde: »Und was ist mit der konservativen Variante?«

Berater: »Da wird die Zeit jährlich ausgeschüttet. Da könnten Sie pro Jahr fast einen Monat sparen.«

Kunde: »Und was mache ich dann mit der gesparten Zeit?«

Berater: »Was Sie wollen. Sie könnten mal richtig ausschlafen, oder sich mit Ihren Kollegen zum Essen treffen.«

Dieses Gespräch hat natürlich nie stattgefunden und ist auch purer Blödsinn. Denn Zeit kann man weder sparen noch managen. Jede und jeder von uns hat 24 Stunden pro Tag und Zeit, die vergangen ist, ist einfach weg.

Je älter man wird, desto deutlicher nimmt man wahr, wie die Zeit scheinbar immer schneller verrinnt. Manche Menschen wollen sich dem entgegenstemmen und nehmen Mühen, Kosten und Schmerzen auf sich, um die Spuren der Zeit zu verwischen. Die Ergebnisse sind selten voll befriedigend. Und letzten Endes bleibt es dabei: unsere Lebenszeit in dieser Welt ist begrenzt. Dagegen ist auch im einundzwanzigsten Jahrhundert noch kein Kraut gewachsen.

Es ist schön, wenn man mit diesem irritierenden Befund nicht allein gelassen wird. »Meine Zeit steht in Deinen (Gottes) Händen« heißt es in Psalm 31,16. Es kommt offenbar gar nicht darauf an, aus unserer Zeit das Letzte herauszuholen. Im Vertrauen darauf, dass wir letztlich in Gottes Hand sind, können wir wesentlich entspannter mit unserer Zeit umgehen. In diesem Sinne:

Eine gute Zeit.

-pv-