Der Apostelbrief

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Prognosen

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Prognosen sind eine heikle Sache. Vor allem, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Aber die wenigsten von uns lieben Überraschungen im Beruf, in Finanzfragen oder in Bezug auf unsere Gesundheit.

Deshalb geben wir uns alle Mühe, die Zukunft so vorhersehbar wie möglich zu machen. In Firmen werden die Umsätze der nächsten Zeit in Quartals- oder Jahresplänen geplant. Im privaten Bereich versuchen wir uns durch allerlei Versicherungen und Kapitalanlagen vor unangenehmen Überraschungen zu schützen. Und wenn wir zu einer Vorsorgeuntersuchung zum Arzt gehen, dann tun wir das doch im Grunde vor allem, um zu hören, dass alles in Ordnung ist.

Aber es gibt auch Situationen, in denen alle Planung nichts nützt, in denen wir nichts tun können, sondern hilflos abwarten müssen, was passiert: wenn ich eine Prüfung geschrieben habe und das Ergebnis erst Wochen später bekannt gegeben wird. Habe ich bestanden? Ist die Note gut genug, um das gewünschte Ziel zu erreichen? Oder wenn die Firma einen neuen Chef bekommt, der aber erst in einem halben Jahr anfangen wird. Wie wird das sein, mit dem Neuen? Welche Mannschaft wird er oder sie mitbringen? Wird die Firma aufblühen oder vollends den Bach runter gehen? Oder wenn der Arzt eine schlimme Diagnose stellt, aber man noch auf die Bestätigung durch einen langwierigen Labortest warten muss.

Aber vielleicht haben wir Glück und erinnern uns in einer solchen Situation an einen Vers aus Psalm 37: »Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.« (Psalm 37,5).

Paul Gerhardt, der im Dreißigjährigen Krieg unendlich oft seine eigene Machtlosigkeit erfahren haben muss, hat aus diesem Vers eins seiner bekanntesten Lieder gemacht: Befiehl du deine Wege. Jedes Wort des Psalmverses wird zum ersten Wort einer Strophe. Zum Beispiel dieser hier:

»Ihn, ihn lass tun und walten,
er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten,
dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret,
mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet,
das dich bekümmert hat.«
(EG 361, 8)

Aber ist das nicht zu billig? Einfach zurücklehnen und Gott machen lassen?

Würde man den Text des Psalms oder des Liedes so verstehen, wäre das allerdings richtig. Paul Gerhardt selbst würde wohl heftig widersprechen. Er selbst hat immer wieder die Initiative ergriffen, obwohl sein Leben reich an Schicksalsschlägen und problematischen Lebenslagen war. Aber offensichtlich hat er erkannt, dass Gott ihn gerade in diesen Situationen nicht alleine lassen, sondern ihn durch die schwere Zeit führen will: »Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.« (EG 361, 1)

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