Der Apostelbrief

August - September 1998
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Martin Schmidt verläßt Gerbrunn

Liebe Gerbrunner,

vor einigere Zeit verabschiedete ich mich auf der Sieboldhöhe von der Kindergruppe, die ich ein Jahr lang leitete. Eines der Mädchen fragte mich, ob ich jetzt traurig sei und ob ich zu Hause weinen müsse. Ich sagte ihr, das wisse ich jetzt noch nicht.

Mittlerweile ist der Abschied ein ganzes Stück näher gerückt. Ich ertappe mich dabei, wie ich zurückblicke auf dieses Jahr. Eine Menge Erinnerungen kommen auf. Es gab viel zu lachen, nicht nur für mich, sondern wahrscheinlich mehr für die Leute, die mit mir zusammenarbeiteten. Es gab gespannte Momente – ich durfte z.B. meine ersten Gottesdienste halten. Traurige Zeiten waren eher selten, auch Zorn und Verbitterung waren vorhanden, aber rar. Ich hoffe daß dies ebenfalls für alle gilt, die mit mir zu tun hatten. Hier bitte ich, Barmherzigkeit zu üben.

Oft und gern will ich mich an diese Zeit erinnern. Ich hatte in Gerbrunn immer das Gefühl, willkommen zu sein. Es wurde mir leicht gemacht, mich hier wohl zu fühlen. Haben Sie alle dafür herzlichen Dank! Sie haben mich ein großes Stück auf meinem Weg weitergebracht. Mir bleibt die Hoffnung, daß auch ich den ein oder anderen kleinen Eindruck in Gerbrunn hinterlassen konnte. Dann war dieses Jahr ein fruchtbares. Ich möchte den kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupery nicht überstrapazieren, aber dem Fuchs (sh. S. 98) kann ich zustimmen: Ich habe die Farbe des Weizens gewonnen. Waren Sie für mich am Anfang einfach nur irgendwelche Leute, so verbinden sich jetzt mit den meisten von Ihnen Erinnerungen und konkrete Erlebnisse. Vor allem mit den lebhaften Kinder.

Was kann man Menschen, die man liebgewonnen hat zum Abschied wünschen? Es gibt wohl nichts besseres als den Segen Gottes: Der Herr behüte Sie vor allem Übel, er behüte Ihre Seele. Der Herr behüte Ihren Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit.

Heute könnte ich dem Mädchen aus meiner Kindergruppe eine Antwort geben: Ja, ich bin traurig. Und wenn ich dann endgültig gehe, werde ich wohl heimlich die ein oder andere Träne vergießen.

Schuhe

Abschied heißt, sich wieder auf den Weg zu machen, nicht stehen zu bleiben, in der Hoffnung, irgendwann anzukommen.